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Ein tapferer Rittersmann

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Nach der Schlacht bei Breitenfeld am 17. September 1631 machte die Nachricht die Runde, daß nicht nur die kaiserlich-ligistische Armee vernichtend geschlagen, sondern daß auch ihr Feldherr Tilly schwer verwundet sei. Mit seinem Tod mußte man rechnen, und so war es naheliegend, sein Leben zu bewerten. „Stirbt er, so stirbt er mitt ehren, als ein tapferer, alter, bißanhero vnuberwindtlicher Ritterßmann.“ Die Einschätzung, die wie ein knapper Nachruf wirkt, stammt von Christian II. von Anhalt-Bernburg, der in den Jahren des Dreißigjährigen Kriegs Tagebuch geführt hat (siehe dazu das Editionsprojekt). Am 19. September erfuhr er von Breitenfeld und hielt die oben zitierte Notiz in seinen Aufzeichnungen fest (Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Z 18 Abt. Bernburg, A 9b Nr. 14 Bd. 10, fol. 76).

Mit der Kategorisierung Tillys als tapferer, ehrenvoller Ritter stellt Christian dem kaiserlichen Feldherrn ein makelloses Zeugnis aus. Das verwundert insofern, als sich gerade in dieser Phase des Kriegs die politische Situation dergestalt veränderte, daß gerade ein Fürsten von Anhalt eigentlich nur wenig Platz für das Lob eines kaiserlichen und katholischen Feldherrn erübrigen konnte. Denn die Anhaltiner Fürsten entschlossen sich damals zu einem Bündnis mit Schweden. Christian, der den Bernburger Anteil gemeinsam mit seinen Brüdern verwaltete, zögerte nur anfangs noch, da er durchaus auf ein gutes Verhältnis zum Kaiserhof setzte. Doch es schien nichts zu geben, was an Tilly auszusetzen gewesen wäre: Weder erwähnte Christian die Vernichtung Magdeburgs durch Tillys Truppen, die erst wenige Monate zurücklag und in unmittelbarer Nähe stattgefunden hatte, noch adressierte er die rigoristische Konfessionalisierungspolitik, die mit Tillys Namen verbunden war (zur Biographie Christians und der Politik Anhalts siehe die Angaben zum Editionsprojekt hier).

Offenbar spielten diese Aspekte für Christian gar keine Rolle; zumindest blendete er sie hier aus. Er schaute auf den Feldherrn, der im Moment, wie er erfahren hatte, mit „zween schüße“ auf den Tod verwundet in Alsleben lag, nur als Soldaten und Militär. Dies bestätigt auch der weitere Eintrag, in dem Christian von einer Aussage des schwedischen Königs berichtet, derzufolge es Gustav Adolfs größter Wunsch sei, „ihn [= Tilly; M.K.] nur einmal aufs Haupt zu schlagen, so wollte er glücksehlig sterben, vndt keine größere glücksehligkeitt auf dieser weltt begehren“. Der schwedische Krieg reduzierte sich in dieser Sentenz auf ein bloßes Duell der zwei Feldherren, die sich miteinander messen wollten, nicht aber um einen Konflikt um die Herrschaft im Heiligen Römischen Reich und sein konfessionelles Schicksal.

Zentral ist also die Kategorie des Ritters. Dieser Begriff evozierte augenscheinlich Vorstellungen eines idealtypischen Kriegsmanns. Welche konkreten Eigenschaften und Tugenden mit dem Rittersmann verbunden wurden, führte Christian in seinem Tagebuch nicht weiter aus; dies war offenkundig für ihn selbstverständlich und bedurfte keiner Erläuterung. Für mich stellt diese Textpassage einen wichtigen Befund dar, um der (Selbst-)Wahrnehmung der Militärs auf die Spur zu kommen und dabei den Kriterien, aus denen sich letztlich das Idealbild eines Offiziers und guten Soldaten zusammensetzte (siehe dazu auch „Rekommendationen und Interzessionen“, in: dk-blog, 5. Juni 2018, https://dkblog.hypotheses.org/1351).

Diesen Artikel zitieren: Michael Kaiser, "Ein tapferer Rittersmann", in: dk-blog, 22. Januar 2019, https://dkblog.hypotheses.org/2022.

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